Lohnbüchse der Firma Otto Rüger um 1910

Besonderes Fundstück: Lohnbüchse Otto Rüger

Bei der letzten Veranstaltung Lockwitzer Heimatgeschichten wurde unserem Verein eine unscheinbare Dose zum Geschenk gemacht. Es handelte sich dabei um eine „Lohnbüchse der Firma Otto Rüger“. Also der Schokoladenfabrik Rüger.

Lohnbüchsen dienten laut Bernd Thier im Magazin „Graugold“ (1-2023) ab der Mitte des 19. Jahrhunderts insbesondere in größeren Betrieben zur Auszahlung der Löhne. Normalerweise waren diese Dosen verschlossen. Der Deckel der nun im Besitz des Heimatvereins befindlichen Dose fehlt leider, was nach über hundert Jahren aber wenig verwunderlich ist. Demnach wurde also auch in der Schokoladenfabrik Otto Rüger in Lockwitz solchen Dosen genutzt, um den Arbeiterinnen und Arbeitern den Wochenlohn in bar auszuzahlen. Übrigens die Lohntüte aus Papier ist schon seit dem 17. Jahrhundert nachgewiesen.

Schokolade aus Lockwitz

Eine Schokoladenfabrik existierte bereits seit 1848 in Lockwitz als Lohbecksche Schokoladenfabrik. Kommerzienrat Otto Rüger (1831-1905) hatte die Fabrik 1858 gepachtet und kaufte sie wenig später für 5.000 Taler und baute sie stetig aus. Seine Werbung mit dem „Rüger-Hansi“ und als Königlicher Hoflieferant sorgte für den Vertrieb in die ganze Welt. Diese Werbefigur wurde 1895 vom Kunstmaler Hermann Otto Zieger (1862–1905) geschaffen, vermutlich stand dabei dessen Sohn Paul Otto Zieger Modell. Eine zweite Fabrik entstand im böhmischen Bodenbach. Noch bis 1934 produzierte die Fabrik Otto Rüger Schokolade in Lockwitz. Otto Rüger war auch ein beständiger Förderer des Baus der Lockwitztalbahn, erlebte ihre Jungfernfahrt 1906 aber nicht mehr.

Rechnung der Firma Otto Rüger Lockwitzgrund von 1934 (Privatarchiv Daberstiel)

Wochenlohn in Lohnbüchse

Doch zurück zur Lohnbüchse. Aus einem Gerichtsverfahren vor dem Gewerbegericht Chemnitz vom 24. Oktober 1900 wissen wir, dass es zu diesen Lohnbüchsen auch eine Arbeitsordnung gab. Der klagende Arbeiter hatte statt der 30 Mark Wochenlohn nur 10 Euro in der Büchse vorgefunden, und wollte die fehlenden 20 Mark ersetzt haben. Der beklagte Arbeitgeber bestritt zu wenig Lohn ausgezahlt zu haben. Denn nach der gültigen und ausgehängten Arbeitsordnung lag die Beweispflicht beim Arbeiter. Nach der Arbeitsordnung konnte der Arbeiter nur nachweisen, dass zu wenig Geld in der Lohnbüchse ist, wenn er die Annahme der verschlossenen Dose ablehnte und sich das Geld, wenn alle Lohnbüchsen verteilt waren, vorzählen ließ. Wenn er sie aber entgegennahm, musste er mit dem Inhalt leben. Das hieß also warten oder auf das Vier-Augen-Prinzip der Lohnbuchhaltung vertrauen.

Damit verbunden war übrigens auch eine Zeit-Erfassung. Der Arbeiter oder die Arbeiterin erhielt einige Stunden vor der Abrechnung eine Zeitkarte zur Prüfung und legte die dann bei der Auszahlung vor, um die Lohnbüchse zu erhalten. Diese Zeitkarte galt dann auch als Quittung für die Lohnzahlung, für die Steuerbehörde und für die Unfallberufsgenossenschaft. Diese Lohnbüchsen waren wohl noch bis zur Novellierung der Gewerbeordnung von 1913 in Gebrauch und danach laut „Zeitschrift für handelswissenschaftlicher Forschung“ verboten und durch Lohntüten abgelöst. Die Lohnbüchse der Firma Otto Rüger dürfte also auch um diese Zeit zuletzt genutzt worden sein.

Kein Erfolg vor Gericht um 1900

Das Gericht in Chemnitz sah es übrigens als erwiesen an, dass zu wenig Geld gezahlt wurde, wies die Klage aber trotzdem ab. Die Arbeitsordnung hätte hier klare Vorgaben gemacht und sei nicht sittenwidrig. So steckt auch in diesem unscheinbaren Stück Blech eine spannende Geschichte.

Wir danken dem Spender für dieses historisch wertvolle Fundstück. Sie haben auch Dokumente oder Gegenstände zu Lockwitz und Umgebung, die erhalten werden sollten? Dann melden Sie sich einfach bei uns.

Bild: Heimatverein Lockwitz e.V.

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