Druckerei-Welzel um 1939

Der Lockwitzer Lokalanzeiger und die Druckerei Welzel

Die Geschichte der Druckerei Welzel ist eng mit Lockwitz verknüpft. Als Zeitungs-, Buch- und Werbeverlag prägte das Unternehmen unseren Ort. Dies ist die Geschichte des Lockwitzer Anzeigers und der Familie Welzel.

Am 9. Oktober 1888 hielt ein Möbelwagen vor dem Grundstück Schloßstraße 91 (heute Altlockwitz 25) und Arbeiter begannen, eine Druckmaschine auszuladen und in die kleine Parterrewohnung im Erdgeschoss zu schleppen. Da dachte wohl noch keiner daran, dass damit der Grundstein für einen erfolgreichen Zeitungsverlag in Lockwitz gelegt würde.

An jenem Tag verlegte Wilhelm Wiegand seine kleine Druckerei aus Dresden nach Lockwitz. Über eine Anzeige in einem Fachblatt hatte er als Geschäftsführer den jungen, aus Schlesien stammenden, Paul Welzel eingestellt. Dieser entpuppte sich schnell als Mädchen für alles, war Drucker und Setzer und sich selbst nicht mal für Botendienste zu schade. So kam das Unternehmen langsam in Schwung. Im Bleisatz und mittels einer Kniehebel-Handpresse wurde zu Weihnachten 1888 ein sauber gedrucktes Werbeprospekt – der sogenannte „Weihnachtsanzeiger“ – herausgebracht. Er enthielt jede Menge Geschäftsempfehlungen und Werbung der ansässigen Gewerbetreibenden und wurde kostenfrei in Lockwitz und Umgebung verteilt.

1889 erster Lockwitzer Lokalanzeiger

Dieser erste Erfolg brachte Paul Welzel auf die Idee, ein Lokalblatt für Lockwitz und Umgebung aufzulegen. Sein Chef Wiegand war nur mäßig begeistert: „Wenn Sie es riskieren wollen, meinetwegen“, gab er seinem Adlatus mit. Gesagt, getan. Anfang Januar 1889 erschien die erste Nummer des Lokalanzeigers. Eine gerade mal vierseitige Probenummer wurde in 1.000 Exemplaren hergestellt. Lange dauerte der Druck damals. Lediglich 100 Stück konnten in einer Stunde gedruckt werden, was heute in Sekunden erledigt wäre. Dann wurden Boten ausgeschickt und kamen mit 200 Abonnenten wieder. Offenbar fand das Blatt Anklang.

Wiegand sah in seinem Geschäftsführer einen würdigen Nachfolger und verkaufte ihm deshalb Verlag und Druckerei am 15. Februar 1889: der Beginn von Welzels Druckerei in Lockwitz. Der Zeitungsverlag gab dem jungen Lockwitzer Unternehmen erst die Grundlage und stellte etwa zwei Drittel des Umsatzes. Daneben wurden aber auch Fremdaufträge gedruckt oder verlegt.

Lockwitzer Anzeiger 1900
Lockwitzer Anzeiger 1900

Umzug der Welzel-Druckerei in Lockwitz

Bis 1891 erschien der „Lokalanzeiger für Lockwitz und Umgebung“ einmal wöchentlich. Dann wurde er zweimal pro Woche herausgegeben. Dieser Erfolg machte Investitionen nötig. Zuerst wurde eine sogenannte Schnellpresse angeschafft, die in das Nachbarhaus auf demselben Grundstück verlegt wurde, wo sich größere Räume boten. Doch das reichte nicht aus. Deshalb erwarb Welzel 1897 von Ernst Julius Büttner den Bauplatz Altlockwitz 45 (heute Lockwitztalstraße 72) für 6.000 Mark und verlegte 1898 das Unternehmen in das dort neu errichtete Gebäude.

Der Lockwitzer Anzeiger, wie er im Volksmund hieß, erschien ab 1899 nun dreimal pro Woche. Das Personal hatte sich deutlich erhöht und 1911 wurde das Setzen von Hand durch einen Setzmaschinenbetrieb abgelöst. 1913 nahm Welzel eine Rotationsmaschine der Marke „König & Bauer“ in Betrieb, die achtseitige Zeitungen in einem Durchgang drucken konnte. Im selben Jahr übernahm Welzel den Niedersedlitzer Anzeiger des Verlags von Albert Piesky und integrierte die von diesem Verlag ebenfalls herausgegebene Elb- und Müglitz-Zeitung als Nebenausgabe des Lokalanzeigers. Fortan hieß die Zeitung „Lokalanzeiger für die südöstliche Umgebung Dresdens, das Lockwitz-, Müglitz- und Weißeritztal“. Dieser wurde nun auch in Heidenau, Dohna und im Pirnaer Bezirk ausgeliefert. Das neue Unternehmen wurde von Welzel und Piesky als GmbH betrieben.

Lokalanzeiger wird zur Tageszeitung

Der Erste Weltkrieg brachte größere Schwierigkeiten. Teile der Belegschaft wurden zum Kriegsdienst eingezogen, auch Welzels ältester Sohn Walter, der bereits im Betrieb mitarbeitete. Maschinenmeister Richard Paul und Maschinensetzer Richard Richter überlebten den Krieg nicht, andere kamen mit gesundheitlichen Schäden zurück. Trotz dieser Widrigkeiten war es zum Beginn des Jahres 1920 so weit: Der Lokalanzeiger und die Elb- und Müglitz-Zeitung wurden zur täglich erscheinenden Zeitung.

Allein der umtriebige Paul Welzel, der auch beim Gesangsverein, der Feuerwehr und als Gemeindeältester in Lockwitz aktiv war, konnte sein Unternehmen nicht mehr weiterführen. Bei einem Besuch seiner Tochter in Celle im Jahr 1921 wurde bei ihm ein inneres Leiden diagnostiziert und er verstarb überraschend mit gerade einmal 58 Jahren nach einer Operation.

Obwohl die Söhne Kurt, Walther und Bruno Welzel sich zur Firma bekannten und diese übernahmen, stellte sie die aufkommende Inflationszeit vor enorme Herausforderungen. Aus dem ehemaligen Lokalanzeiger war mittlerweile das „Dresden-Pirnaer Tageblatt“ geworden. Die Brüder Welzel versuchten alles, um andere Aufträge zu ergattern, aber bis auf den Druck ständig wertloseren Geldes florierte das Druckgewerbe nicht mehr. Der Betrieb konnte die Zeitung allerdings nicht halten und verkaufte sie an das Zeitungsunternehmen Stolle in Freital. Druck und Schriftleitung (Redaktion) der Zeitung wechselten so ebenfalls nach Freital. Nur der Vertrieb, die Anzeigenleitung für das Vertriebsgebiet und die örtliche Schriftleitung blieben in Lockwitz.

Neubeginn 1924

Erst 1924 erwarben die Gebrüder Welzel die Firma ihres Vaters von den Erben und die dazugehörigen Grundstücke und führten das Unternehmen als „Welzel Buch- und Werbedruck Gesellschaft“ in Lockwitz fort. Paul Welzel hatte in weiser Voraussicht angrenzende Grundstücke an der Dohnaer Straße erworben, so dass einer Erweiterung des Betriebs nichts im Weg stand. Moderne Buchdruckschnellpressen, darunter Zweitourenmaschinen und Druckautomaten lösten nach und nach die alte Technik ab. Auch in Schnellschneidemaschinen und leistungsfähigere Setzmaschinen wurde investiert.

In den 1930er Jahren arbeiteten bereits über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Druckerei. Die Verdienste Paul Welzels würdigte die Stadt Dresden 1934 indem sie die Verbindungsstraße zwischen Galgenberg und Urnenstraße in Paul-Welzel-Straße benannte. 1935 wurde eine Kupfertiefdruckabteilung geschaffen. Diese Drucktechnik wurde vor allem im Verpackungs-, Etiketten-, Dekor- und im Zeitschriftendruck eingesetzt.

Druckerei Schreiter übernimmt

Bis Ende des Zweiten Weltkriegs blieb die Firma im Familienbesitz von Bruno Welzel, wur­de aber 1945 enteignet. Gegen Ende 1945 wurde die Druckerei vom ehemaligen Lehrling Welzels, Oswald Schreiter, über­nommen. Trotzdem hieß die Firma im Volksmund weiterhin „Welzel-Druckerei“. Schreiter hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg in Dresden-Johannstadt eine eigene Druckerei aufgebaut, die aber am 13. Februar 1945 komplett zerstört wurde.

Der Eingang zur Druckerei befand sich zu DDR-Zeiten im Hinterhof des Mietshauses Lockwitztalstraße 72. 1953 übernahmen der Sohn Gottfried Schreiter und seine Frau die Druckerei mit drei Angestellten. 1984 dann deren Sohn Bruno.

Am 1. August 1996 endete das Druck­wesen in Lockwitz, denn Bernd Schreiter musste seine Druckerei infolge der Kün­digung der Räume von Lockwitz nach Borthen verlegen. Unter dem Firmen­namen „Druckerei Schreiter“ existiert das Unternehmen heute in vierter Generation in Borthen. Das Gebäude Lockwitztal­straße 72 wurde von der „Apogepha Arzneimittel GmbH“ aufgekauft und dann abgerissen.

Wir danken dem aufmerksamen Lockwitzer, der auf seinem Dachboden die Firmenchronik zum 50-jährigen Bestehen der Firma Welzel fand und dem Heimatverein Lockwitz e.V. schenkte. Sie ist Quelle für diesen Beitrag. Weiter verwendete Quellen sind die Internetseiten der Druckerei Schreiter und Stadtwiki Dresden sowie die Häuserchronik Lockwitz, die im Heimatverein vorliegt.

Text: Matthias Daberstiel, Fotos: Heimatverein Lockwitz, Archiv (Stand: November 2023)

3 Gedanken zu “Der Lockwitzer Lokalanzeiger und die Druckerei Welzel

  1. Mit Angelika Schreiter bin ich in die Schule gegangen. Nach der Schule waren wir oft in der Druckerei. Später hab ich dann den Beruf des Buchbinders gewählt. War eine tolle Zeit

  2. Eine kurze Info – falls das von Interesse sein kann:
    Im Haus Lockwitztalstraße 72 habe ich von 1953 bis ca. 1973 gewohnt.
    Das war das Vorderhaus vor der Druckerei Schreiter und der Chemischen Fabrik Scharfenberg.
    Mit Bernd Schreiter bin ich in Lockwitz 10 Jahre zur Schule gegangen.
    Die damalige Druckerwerkstatt habe ich als Kind sehr gerne besucht, dabei wurden mir meistens kleine Papierreste zum basteln oder zum zeichnen geschenkt … usw.

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